Mennoniten und Amisch

Die Mennoniten: Der Versuch, Kirche nach neutestamentlichem Vorbild zu sein


Die Gemeinsamkeit aller Mennoniten
In einer neueren Studie der Mennonitischen Weltkonferenz (mehr als 1 Mio. Mitglieder weltweit) über mennonitische Glaubensbekenntnisse wird zumindest eine Gemeinsamkeit deutlich: Jesus ist für die Mennoniten der Grund des Glaubens und die Bibel Leitfaden für ein Leben in der Nachfolge Christi. - Damit sind die Gemeinsamkeiten aber in vielen Fällen auch schon benannt. Denn für kolumbianische Mennoniten heißt das z.B. in erster Linie, sich in der Gesellschaft als Friedenskirche für Gerechtigkeit einzusetzen. Für manche nordamerikanischen Mennoniten (und Amischen) dagegen heißt dies Rückzug aus der "Welt", die Suche nach einem einfachen Lebensstil in der eigenen Geschwisterschaft, manchmal gar unter Ablehnung des technischen Fortschritts. Für manche europäischen Mennoniten kann das wiederum bedeuten, sich bewußt in der Ökumene zu engagieren, da man das biblische Fundament ja mit allen Christen und Christinnen in der weltweiten Kirche teilt. Die unübersehbar große Vielfalt unter den Mennoniten resultiert nicht zuletzt aus der Überzeugung, daß es außer Jesus keine andere Autorität in Glaubensfragen geben kann. Kein Kirchenamt, keine kirchliche Glaubensregel, auch kein Bekenntnis aus früheren Tagen kann den Glaubenden verbindlich vorschreiben, was zu glauben ist. In jeder Generation und in jedem Kontext ist neu danach zu fragen, was Nachfolge bedeutet - mit Hilfe der biblischen Zeugnisse und der Gemeinde als Auslegerin.


Täuferbewegung
Die konfessionellen Wurzeln der Mennoniten liegen in der Reformationszeit. Täufer unterschiedlichster Prägung traten auf und kämpften auf der Grundlage der neutestamentlichen Schriften für eine Reformation, die meist radikaler war als die eines Luther oder Zwingli. Sei es in der Schweiz, in Süddeutschland oder in den Niederlanden: überall gab es Menschen, die alles in der Kirche in Frage zu stellen bereit waren, wofür sie keine Begründung im Neuen Testament (NT) zu finden glaubten. Sie wollten nicht den gemäßigteren Reformatoren folgen, die auch weiterhin alles zu erlauben bereit waren, was nicht ausdrücklich im Widerspruch zum NT stand. Die Täufer lasen selbst die Bibel, oft in kleinen Gruppen, auf der Suche nach den Richtlinien für ein Leben in der Nachfolge Christi. Aufgrund dieser Schwerpunktsetzung kam es auch zu einer klaren Vorrangstellung des Neuen gegenüber dem Alten Testament. Nichts von den Geboten Christi sollte uminterpretiert oder künstlich abgeschwächt werden. Die Bergpredigt wurde schließlich zu einer der zentralen Stellen und ist es bis heute. Der daraus resultierende absolute Gewaltverzicht und die Weigerung, Eide zu schwören, um nicht konkurrierende Bindungen einzugehen und zum Zeichen der Wahrhaftigkeit in jeder Situation, kennzeichnen noch heute die Mennoniten. Daß man kein politisches Amt übernehmen solle und in Streitfragen auch kein weltliches Gericht anzurufen sei, war immer umstritten und ist heute nur noch für wenige von Bedeutung.


Die Gemeinde
Das Leben in der Nachfolge - da waren sich die meisten Täufer einig - konnte nur im Kontext der Gemeinde gelingen. Keine staatliche Macht sollte in Glaubensdingen mitreden dürfen, daher die Forderung nach klarer Trennung von Kirche und Staat. Die negativen Erfahrungen mit Kirchenhierarchien ließen nur ein Modell als möglich erscheinen: die Bemühung um eine Restitution der urchristlichen Gemeinde; "...sie waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam" (Apg 3:44). Diese kommunitäre Lebensweise ist heute nur noch bei den Hutterern (ein Zweig der Täuferbewegung) zu finden. Doch andere Elemente dieses idealisierten Modells kennzeichnen noch heute die Mennoniten. Alle Gemeinden sind kongregationalistisch verfaßt, d.h. sie sind in Lehre und Lebensgestaltung autonom. Das Priestertum aller Gläubigen wird verstanden im Sinne des paulinischen Gemeindeverständnisses, jede/r diene mit ihren/seinen Gaben. Man folgt in Streitigkeiten der sog. Gemeinderegel aus Mt 18. Dies setzt natürlich ein freiwilliges Eintreten in die Gemeinde voraus, was heute noch durch die Glaubenstaufe (im Jugend- oder Erwachsenenalter) dokumentiert wird.


Für die Täufer des 16.Jh. stellte die Tauffrage den entscheidenden Bruch mit Rom, aber auch mit den anderen Reformatoren dar. Kein neutestamentlicher Beleg ließ sich finden, der eine Säuglingstaufe legitimiert hätte, vielmehr wurde hierin die ganze Symbolik der unheilvollen Verquickung von Kirche und Staat deutlich. Auch für ein sakramentales Abendmahlsverständnis wollten die Täufer keine Belegstelle gelten lassen. Sie hielten nichts von Trans- oder Konsubstantiationslehre. Die Erinnerung an Jesu Leben und Sterben und die Symbolik der Gemeinschaft stehen im Vordergrund.


Die Gefahr in einer so stark auf die christliche Ethik ausgerichteten Gemeinschaft ist, wie bei allen anderen Protestanten auch, daß die Bibel zum "papierenen Papst" wird. Einflüsse durch Pietismus und Fundamentalismus (Nordamerika) haben auch die Mennoniten geprägt und im Extrem in einen Biblizismus geführt. In anderen Gruppierungen hat der Liberalismus seine Spuren hinterlassen. So sind Mennoniten heute stärker durch ihren geistesgeschichtlichen und kulturellen Kontext geprägt als durch ein allen gemeinsames Schriftverständnis. Nur in ganz seltenen Fällen sind Mennoniten das, was in den Medien manchmal so spektakulär und oft schlecht recherchiert dargestellt wird, wie z.B. über Mennoniten in Mexiko, die deutsch sprechen und ein Leben wie im 19.Jh. führen.


Was die Mennoniten untereinander verbindet, ist die gemeinsame Geschichte einer Konfession, die niemals bereit war, Ethik und Ekklesiologie getrennt voneinander zu sehen, da diese Trennung den Aussagen der biblischen Zeugnisse widerspräche. Sie blieben mit dieser Auffassung eine Minderheit. War ihre Geschichte in den Anfängen stark durch die Verfolgungssituation geprägt, so können Mennoniten heute die biblischen Zeugnisse als Fundament ihres Glaubens in der ökumenischen Gemeinschaft teilen und machen sich gemeinsam mit Christinnen und Christen anderer Konfessionen auf zu neuen Entdeckungen.


Wieviele Mennoniten gibt es?
(Quellen: Mennonite and Brethren in Christ - World Directory 1998, zusammengestellt durch Mennonitische Weltkonferenz, Straßburg; Mennonitisches Jahrbuch 2000. Gezählt werden die getauften Glieder).


Ging die Täuferbewegung einst vom Zentrum Europas aus, so findet sich heute die Mehrheit der Mennoniten in Nordamerika (vor allem durch Auswanderungen) und Afrika (durch Mission). In Europa sind es ca. 62.000. In Deutschland (rund 40.000) hat sich das Bild in den vergangenen 20 Jahren stark gewandelt und gestaltet sich unübersichtlich. Das kann nicht anders sein in einer konsequent kongregationalistisch organisierten Freikirche. Hinzu kommt, daß seit 1972 viele Mennoniten aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland auswanderten, nachdem dies möglich wurde. Oft sind sie so zahlreich an einem Ort vertreten, daß sie rasch eigene und große Gemeinden gründen konnten. Selten suchten sie Anschluß an bereits bestehende Gemeindeverbände. Heute bilden sie in Deutschland bereits die Mehrheit.


Die älteren deutschen Mennonitengemeinden sind in der Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland, K.d.ö.R., (AMG) zusammengeschlossen, ca. 6.200 Gemeindeglieder in 52 Gemeinden. Diese setzt sich aus drei Regionalverbänden zusammen (Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden: Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Berlin-Brandenburg; Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Mennonitengemeinden: Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland; und Verband deutscher Mennonitengemeinden: Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz). Die AMG ist in der Ökumene auf verschiedenen Ebenen integriert: Vereinigung Evangelischer Freikirchen, Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland und in Teilen auch im Ökumenischen Rat der Kirchen.


Die Rußland-Deutschen Mennoniten bilden verschiedene Zusammenschlüsse: In der Arbeitsgemeinschaft zur geistlichen Unterstützung in Mennonitengemeinden sind in 24 Gemeinden 5.600 Gemeindeglieder vertreten. Seit 1989 gibt es den Bund Taufgesinnter Gemeinden mit 28 Gemeinden und ca. 6.000 Gliedern. Die größte Zahl, die aber eher auf Schätzungen zurückgeht und ganz unterschiedlich angegeben wird, bilden derzeit die unabhängigen Brüdergemeinden, die sich nicht in größeren Zusammenhängen organisieren. Sie wird mit ca. 20.000 Gliedern in 74 Gemeinden angegeben.


Die anderen Mennoniten-Brüdergemeinden sind mit 15 Gemeinden (insgesamt 1892 Glieder) in der Arbeitsgemeinschaft der Mennonitischen Brüdergemeinden in Deutschland zusammengeschlossen, hinzu kommen 7 Gemeinden (226 Glieder) im Verband Mennonitischer Brüdergemeinden in Bayern.


Eine kleine Zahl von 205 Gliedern bilden die auf Missionstätigkeit zurückgehenden 7 Gemeinden der Mennonitischen Heimatmission.


Autor: Dr. Fernando Enns
Stand 2001