Gottes letzte Inseln: Wie die
Hutterer und Amischen leben
von Bernd G. Längin
Patloch Verlag
Seiten 336
ISBN 3-629-00674-4
QuoteDisplay MoreSelbst im multikulturellen Schmelztiegel Amerikas haben sie sich ihre Identität bewahrt. Mitten in der ``Neuen Welt'' führen sie ein Leben, als sei die Zeit vor einigen hundert Jahren stehen geblieben: Die radikalen Täufergruppen.
Das Festhalten an ihrer vom europäischen Kontinent mitgebrachten Lebensweise gelang den Hutterern, Amischen, Altkolonier und Altmennoniten, wie die vier wichtigsten heute noch bestehenden Täufergruppen heißen, meist nur um den Preis der beinahe hermetischen Abriegelung. Nur wenige Ausstehenden bekamen einen so intensiven Einblick in das Leben dieser kommune-ähnlichen Großgemeinschaften wie der in Winnipeg lebende Buchautor Bernd G. Längin. Mit Gottes letzte Inseln hat der Autor die wohl bisher umfassendste Dokumentation zu Geschichte und Gegenwart dieser Täufergruppen verfaßt.
Herr Längin wohnt heute in Kanada in unmittelbarer Nähe einer Täufersiedlung. Durch das entstandene Vertrauen war es ihn möglich, in den Kommunen selbst zu leben. Dadurch lernte er wie kein Zweiter diese alternativen Lebensformen kennen, die in Folge ihrer Glaubensgrundsätze seit dem 16. Jahrhundert den Einflüssen der modernen Zivilisation widerstehen. Die Täufer leben zum Teil noch ohne Strom, fahren in Kutschen und lehnen die Bequemlichkeiten der Moderne wie Telefon und Radio ab. Selbst ihre Sprache ist das alte Deutsch ihrer Vorfahren.
Teils wecken die amerikanischen Täufergruppen Neugierde und sind eine bestaunte Touristenattraktion, andererseits stoßen sie auf Ablehnung.
Gottes letzte Inseln durchbricht diese aus der Unwissenheit geborenen Vorurteile. Durch die kenntnisreichen und intimen Einblicke des Autors in den Alltag der Amischen, Hutterer und der anderen Gemeinschaften gelingt ihm eine vorurteilsfreie Betrachtung aus kritisch-freundschaftlicher Distanz.
Herr Längin ist ein Vermittler zwischen den Täufergruppen und der modernen Gesellschaft: So fühlen sich die jungen Täufer zwischen beiden Welten hinund hergerissen. Andererseits wird ihre Lebensweise von Außenstehenden gerade heute als sinnvolle Alternative interpretiert, die Täufergruppen wirken im Meer des Konsums wie letzte Ruheinseln.
Neben der einfühlsamen Situationsbestimmung für die gegenwärtigen Gemeinschaften schildert Herr Längin auch ausführlich deren Entstehungsgeschichte seit der Reformationszeit. Ausführliche Hinweise auf ihre Herkunft verweisen den Leser auf die Wurzeln der Täufer im deutschsprachigen Raum. Aus der Vergangenheit der nicht unumstrittenen Bewegungen, aus der Geschichte ihrer Verfolgung und ihrem ``Exodus'' erschließt sich letztlich das heutige Leben dieser Gruppen.
Dadurch ist dieses Buch ein Standardwerk für jeden, der sich mit den Gemeinschaften und ihrem heute teils bizarr anmutenden Lebensstil auseinandersetzen will. Aber auch kulturhistorisch und konfessionsgeschichtlich Interessierte finden hier hochaktuellen Lesestoff vor, ebenso wie Leser, die sich mit alternativen Lebensformen beschäftigen. Bereichert wird der Band durch zahlreiche, bisher unveröffentlichte Fotos, die der Autor wahrend seines Lebens mit den Täufern aufnehmen durfte.
Text von Herbert Bopp